Gerhart-Hauptmann-Schule: Bezirksamt und Flüchtlinge nehmen Verhandlungen auf

Dienstag, 10. September 2013
Pressemitteilung von: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg

Das Bezirksamt erklärt:

Menschen die vor Bürgerkriegen, Hunger und Verfolgung geflohen sind zu helfen, ist keine Frage der „Zuständigkeit“ sondern eine humanitäre Verpflichtung.

Deshalb bekräftigt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg seine politische Entscheidung, die Flüchtlinge bis zur Realisierung des Projektehauses in der Reichenberger Straße 131/Ohlauer Straße 24 zu dulden. Den Menschen droht ansonsten die Obdachlosigkeit. Es ist gleichermaßen an der Zeit, dass die Landes- und Bundesebene im Sinne der Menschen zusammen mit dem Bezirk Lösungen erarbeitet. 

Um zusammen mit den derzeitigen Nutzern einen Weg zu finden, das Projektehaus zu realisieren, hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg am vergangenen Freitag, dem 6. September vor Ort die Verhandlungen mit den Flüchtlingen in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule aufgenommen. Bei dem Hausplenum waren ca. 50 Personen anwesend, die sich aus Flüchtlingen, Unterstützern, Projektevertretern und dem Bezirksamt zusammensetzten. Das Bezirksamt war durch Hans Panhoff, Stadtrat für Planen, Bauen, Umwelt und Immobilien vertreten.

Nach einer knapp 3-stündigen offenen und intensiven Diskussion (Englisch mit Übersetzung in vier Sprachen) beschlossen die Flüchtlinge per Akklamation die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Bezirksamt und den Projekten zur Einrichtung eines Projektehauses in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule.

Das Bezirksamt wertet die Aufnahme von Verhandlungen vor dem Hintergrund der schwierigen individuellen Situation der Flüchtlinge und deren nicht erfüllten politischen Forderungen als ersten wichtigen Erfolg.

 

Folgende Ergebnisse werden festgehalten:

 

1.      Ziel ist, das Projektehaus gemeinsam zwischen Flüchtlingen, Projekten und Bezirk zu entwickeln. Das Projektehaus soll sowohl den Belangen von Flüchtlingen zu Gute kommen als auch der Nachbarschaft aus dem Reichenberger Kiez dienen und ein Ort der Begegnung sein. Das Wohnen soll dabei nicht im Vordergrund stehen, sondern die Schaffung einer langfristig wirksamen Infrastruktur.

 

2.      Die Umsetzung des Projektehauses kann nur prozesshaft erfolgen. Die konkrete Umsetzung wird jetzt gemeinsam geplant, der Einzug von Projekten wird nicht gegen den Willen der Flüchtlinge erfolgen, Projekte der Flüchtlinge selbst werden integriert.

 

3.      Alle Beteiligten verpflichten sich, gemeinsam auf das Haus Acht zu geben und es in einem möglichst guten Zustand zu erhalten. Weitere dafür erforderliche Maßnahmen durch Bezirk und Bewohner sind Gegenstand der folgenden Verhandlungen.

 

4.      Dafür sind weiterhin kurzfristig konkrete und praktische Fragen zu klären wie z. B. Sanitärversorgung, Müllbeseitigung und Reparaturbedarf. Vorhandene Missstände sind abzustellen und die Beseitigung grober baulicher Mängel zu veranlassen.

 

5.      Im Zuge der Verhandlungen wird das Bezirksamt die Flüchtlinge bei der Klärung von aufenthaltsrechtlichen Fragen so gut es geht unterstützen und auf entsprechende Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten verweisen.

 

6.      Der Einzug von Projekten macht die Klärung der Wohnungsversorgung bzw. Unterbringung der Bewohnerinnen und Bewohnern in Zusammenarbeit der jeweils zuständigen Stellen von Senat und Bezirk erforderlich.

 

7.      Für die Verhandlungen bilden die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses ein Komitee, im dem die verschiedenen Flüchtlingsgruppen bzw. Zimmergemeinschaften des Hauses vertreten sind.

 

8.      Der nächste nicht-öffentliche Verhandlungstermin zwischen Bewohner-Komitee, Projekten und Bezirksamt findet in zwei Wochen statt.

 

9.      Über die Ergebnisse wird in einer gemeinsamen Pressemitteilung informiert werden.

 

Zum Hintergrund:

 

1. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist von der Bezirksverordneten­versammlung (BVV) mit der Drucksache 387/IV beauftragt worden, in der Reichenberger Straße 131 ein Projektehaus zu realisieren. Diesem Auftrag kommt das Bezirksamt nach. Es ist im ständigen Dialog mit interessierten Projekten und Trägern und hat kürzlich einen ersten Konzeptentwurf in die BVV eingebracht. Das Konzept im Bereich Bildung, Soziales und Kultur sieht als einen Schwerpunkt des zukünftigen Projektehauses die Flüchtlingsberatung sowie Möglichkeiten der Unterbringung für Menschen ohne Obdach vor. Eine temporäre Nutzung der Immobilie durch Flüchtlinge wird im Rahmen der Not- und Kältehilfe durch das Bezirksamt bis zur Realisierung des Projektehauses geduldet. 

 

2. Das Bezirksamt sieht sich in der Verantwortung für seine Immobilie in der Reichenberger Straße 131/Ohlauer Straße 24 und nimmt diese wahr. Das Bezirksamt will im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür Sorge tragen, dass Missstände in dem von Flüchtlingen im Dezember 2012 besetzten Gebäude abgestellt werden und die Lebenssituation der Nutzerinnen und Nutzer menschenwürdigen Bedingungen entspricht. Dafür hat das Bezirksamt bisher bereits:

·          die Versorgung mit Strom und Wasser gewährleistet

·          in den kalten Monaten für die Beheizung der Räumlichkeiten gesorgt

·          die Abfallbeseitigung durch das Aufstellen von Müll-Containern übernommen

·          mehrfach Reparaturen der Sanitäranlagen und der Elektroleitungen durchgeführt

·          dem Einbau von Duschen durch einen Träger zugestimmt,

·          aus Brandschutzgründen die Aufstellung von externen Fluchttreppen in Angriff genommen.

 

3. Das Bezirksamt nimmt seine Verantwortung gegenüber den aus Krieg und Not geflohenen Menschen im Projektehaus wahr. Das Bezirksamt weiß aber auch um die Grenzen seiner Möglichkeiten. Die hat es gegenüber den Betroffenen – darunter viele Flüchtlinge aus Drittstaaten (Lampedusa-Flüchtlinge) – immer deutlich gemacht: Das Bezirksamt kann weder ihre asyl- und aufenthaltsrechtliche Probleme noch die so genannte Flüchtlingsfrage als solche lösen und ist deshalb darauf angewiesen, dass Landes- und Bundesebene ihre Verantwortung und Kompetenzen in der Flüchtlingspolitik wahrnehmen und sich nicht für unzuständig erklären. In der Haltung einiger Senatsmitglieder und -verwaltungen, man sei für Flüchtlinge aus Drittstaaten „nicht zuständig“, kann das Bezirksamt keinen Beitrag für eine Lösung der konkreten Situation in der Reichenberger Straße 131 oder für eine humane Flüchtlingspolitik insgesamt erkennen.


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